-2- Die Piraten sind auf Enterkurs
Sie gelten als die grosse Unbekannte bei allen deutschen Wahlen - und werden immer stärker
Einerseits sammeln die Piraten alle Protestwähler, andererseits aber auch die Politikverdrossenen. So gehört zu ihren Forderungen mehr Transparenz in der Politik. Aktuellstes Beispiel war die Änderung des Grundgesetzes in den beiden Unterpunkten "Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen" und "Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 93)". Dieser Tagesordnungspunkt 33 der Bundestagssitzung Ende März wurde von allen Parteien (ausser der Linken) eingebracht. Die Piraten jedoch fordern eine öffentliche Diskussion vor der Abstimmung, schliesslich handle es sich hierbei nicht um irgendetwas, sondern um die Änderung des Grundgesetzes. Der Chef der Meinungsforscher von Forsa, Manfred Güllner betont gegenüber des Nachrichtenmagazins "Stern" ebenfalls, dass die Piratenpartei keine "Klientel-Partei" darstelle, sondern von allen Parteien Wähler einsammle - als eine Art von " Volkspartei im Mini-Format". Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass viele der Punkte im Parteiprogramm ohne Lösung bleiben. Wie soll das bedingungslose Grundeinkommen finanziert werden? Der öffentliche Nahverkehr? Wo endet die freie information und beginnt die Privatsphäre des Einzelnen? Diese Punkte interessieren die meisten Wähler der Piraten vorerst noch nicht. Sie schnuppern die Möglichkeit, einen frischen Luftzug in sehr viele alten und verstaubten parlamentarische Gänge bringen zu können. Dieses Phänomen gab es einst auch beim B90/Die Grünen. Sie forderten ebenfalls eine hierarchielose Basisdemokratie über eine Meinungsplattform, auf welcher jedes Wort zählte.
TAM-News
Doch - die damaligen Umweltrevoluzzer sind erwachsen geworden und gehören inzwischen zum politischen Establishment, das erkennen musste, dass zu viel Meinungsfreiheit zu keinem geschlossenen Auftreten einer Partei führt. Immer wieder müssen Roth, Özdemir und Lemke, aber auch das Gewissen der Partei Trittin und Fischer, ein Machtwort sprechen. Ähnlich wie bei den Grünen beginnt es bereits jetzt schon bei den Piraten. Bundessprecher Sebastian Nerz hat den Berliner Fraktionsvorsitzenden Andreas Baum dazu aufgefordert, das Verhalten eines Fraktionsmitgliedes aus dem Abgeordnetenhaus zu kritisieren! Dieser aber will seine Mitstreiter nicht an die Leine nehmen. Auslöser war die harsche Kritik eines Berliner Piraten an der Bundesführung auf Twitter. So ganz nebenbei: Nicht der erste Angriff der Berliner auf den Bundesvorstand.
Der frustierte, aber auch der junge Wähler ist auf der Suche nach etwas Neuem, etwas Coolem, das Veränderungen bringt und einige selbstherrlich agierende, angebliche Volksvertreter wieder auf den Boden zurück holt. Demokratie ist Meinungsvielfalt, somit also auch durchaus für das Hohe Haus in Berlin bzw. den Landeshauptstädten zu befürworten. Wie lange allerdings dieser Rückenwind für die Piraten noch andauert, wird sich zeigen, denn Protestwähler sind immer auch Wechselwähler oder potentielle Wieder-Nichtwähler!
(Ulrich Stock)
|